Starke Frauen im Buddhismus
Buddhistische Frauen feiern ihre Stärken
Ein Bericht von Sabine Hayoz Kalff anlässlich der Auszeichnung für Sylvia Wetzel im Rahmen der
Outstanding Women of Buddhism Award Ceremony.
In Honor of the United Nations International Woman´s Day. Bangkok 6. März 2008
Einstimmung
In der Vorhalle zum Preisverleihungssaal befindet sich eine Ausstellung mit den Bildern, Kurzbiographien und Projekten der Preisträgerinnen. Es werden dieses Jahr zwanzig Frauen geehrt, zwölf von ihnen sind Ordinierte, darunter sechs Bhikkunis, vollordinierte Nonnen. Sieben sind Asiatinnen und fünf stammen aus Europa und USA. Unter den acht geehrten Laien-Frauen gibt es sechs Asiatinnen und zwei aus dem Westen, unter ihnen Sylvia Wetzel aus Deutschland.
Der Eingang zum Saal ist gesäumt von zwei Reihen kleiner Mädchen, darunter auch ein paar Jungen, die alle wunderschön in landesüblicher Festtagskleidung herausgeputzt sind. Sie halten ein Plakat hoch, mit einem Willkommensgruss an die Preisträgerinnen: „Welcome Outstanding Women in Buddhism“. Obwohl erst im Vorschul- oder frühen Schulalter sind alle Mädchen wie richtige Tänzerinnen geschminkt und posieren eine Stunde lang still und artig, ohne zu kichern, ohne zu schwatzen oder herum zu rennen. Sie schauen mit grossen Augen und lassen sich mit einer Selbstverständlichkeit und Gelassenheit bestaunen und fotografieren, die mich als Europäerin gleichzeitig entzückt und nachdenklich macht. Später werden diese Kinder für uns einen Begrüssungstanz aufführen, der nun angenehm kindergerecht und ohne perfekte Choreographie gestaltet ist.
Im grossen Saal sind zwei weiß geschmückte Tischreihen für die herausragenden Frauen vorbereitet. Auf jedem Platz steht eine farbige Kuan-Yin-Statue und die entsprechende Nationalflagge der Preisträgerin. Die Fahnen sind in Grossformat auch wieder auf der Bühne zu finden und unterstreichen den internationalen Charakter des Anlasses.
Nonnen in verschiedenen Roben und andere Frauen und Männer
Unter den etwa zweihundert Anwesenden fallen die vielen Nonnen auf und die verschiedenen Farben ihrer Roben. Die Mehrheit unter ihnen bilden viele junge und einige ältere Thailänderinnen in leichter blütenweisser Kleidung, aus deren Reihen auch die meisten Organisationshelferinnen der heutigen Veranstaltung stammen. Nur zwei tragen das Gelb des Thai-Buddhismus. Das ist ein Politikum, wie wir später hören werden. Einige Nonnen aus Taiwan tragen ein ungewohntes Dunkelrot. Sie haben die alten Texte studiert und entdeckt, dass sie nicht unbedingt Grau oder Gelb und helles Rot tragen müssen. Die Nonnen aus Korea sind in edles Grau gekleidet, und eine US-amerikanische Nonne trägt Schwarz. Mönche sind keine zu sehen, weder aus dem Osten noch aus dem Westen. Welche politische Bedeutung ihre Abwesenheit und die Farben der Roben haben, werden wir im Verlaufe der Zeremonie und unseres Aufenthaltes in Thailand erfahren.
Etwa in gleicher Anzahl wie Ordinierte sind im Publikum Laien zu finden, die meisten Frauen, von elegant bis schlicht gekleidet. Etwa ein Fünftel aller Anwesenden sind von der Presse. Unter ihnen sind die meisten anwesenden Männer zu finden. Von ihnen, aber auch vom Publikum wird während der ganzen Veranstaltung fast ununterbrochen mit grosser Selbstverständlichkeit fotografiert. Niemand stört sich daran und alle lassen sich wann auch immer gerne fotografieren. Es geht hier offensichtlich darum, zu sehen und gesehen zu werden, zu feiern und gefeiert zu werden und das gegenseitig zu geniessen. Das Ereignis wird bereits im Vorfeld gut dokumentiert und erscheint sogar auf dem Titelblatt der Bangkoker Tageszeitung, der Thai-Ausgabe, und mit einer ganzen Seite in der englischsprachigen Bangkok Post.
Die Eröffnungsrede von Bhikkuni Dr. Lee
Dr. Lee ist eine gebürtige Amerikanerin, gelehrte und vollordinierte Nonne, die seit einigen Jahren in Thailand lebt und wirkt. Sie und ihre thailändische Kollegin, Bhikkuni Dr. Rattanavali sind die Begründerinnen und Organisatorinnen dieser Preisverleihungsorganisation (OWBA), die nun bereits zum siebten Mal in Folge besonders verdienstvolle Frauen aus dem Buddhismus ehrt. Das Ereignis findet jeweils anlässlich des internationalen Frauentages in Bangkok statt. Dr. Lee erklärt, dass in den früheren Jahren die Zeremonien viel aufwändiger und offizieller im UN-Gebäude mit viel Prominenz stattgefunden hätten, mit Repräsentanten des Königshauses, mit Diplomaten und Regierungsmitgliedern. Unter diesem Glanz ging leider der eigentliche Zweck der Veranstaltung etwas verloren. Dieses Jahr soll das wieder vermehrt im Vordergrund stehen: Der direkte Austausch unter den Preisträgerinnen und mit den Frauen aus Thailand über Rechte und Stellung der Frauen im Buddhismus und in der Gesellschaft. Wir erfahren, wie weit in Thailand die Gleichberechtigung der Frauen von der Verwirklichung entfernt ist.
Maechees – die weissen Nonnen
Das Irritierende am thailändischen Buddhismus ist, dass der Bhikkuni-Orden, also die volle Ordination für Frauen nicht nur wie in den meisten asiatischen Ländern nicht oder nicht mehr existiert, sondern dass er hier regelrecht verboten ist. Führende Mönche in Thailand sind der Meinung, es habe in der Geschichte des Buddhismus nie einen Frauen-Orden gegeben. Es besteht die Hoffnung, dass sie durch Gespräche mit ihren Brüdern in Sri Lanka entdecken, dass es bis ins zehnte Jahrhundert u. Z. auch in Sri Lanka Bhikkunis gab und es inzwischen über fünfhundert vollordinierte Frauen dort gibt. Das könnte den Weg frei machen, dass Bhikkunis aus Sri Lanka Frauen aus Thailand odinieren können. Derzeit liegt dem höchsten Mönchskollegium Thailands, dem Sangha-Rat, ein Antrag auf Einführung der vollen Ordination vor, der bislang zwar nicht positiv beschieden wurde aber auch noch nicht abgelehnt ist.
Für Frauen ist derzeit in Thailand nur die Laien-Ordination mit bis zu acht Gelübden möglich. Die sogenannten weißen Nonnen mit acht Gelübden, wozu auch das Zöllibat gehört, heissen Maechee, und sie werden als fromme Laien-Frauen angesehen, sind aber nach Meinung der Mönche nicht Teil der ordinierten Sangha. In Thailand und Sri Lanka tragen die Laien, wenn sie in den Tempel gehen, weiße Kleidung. Ganz abgesehen davon, dass Weiss im Alltag eine unpraktische Farbe ist, betont die Kleidung der Maechees also ihre Nähe zum Laienstand und nicht zur Sangha, der buddhistischen Gemeinschaft der Ordinierten, die orange Roben trägt. Einerseits gelten sie als Quasi-Nonnen, sie tragen Roben, wenn auch in weiß, und sie leben im Zölibat. Andererseits, gelten sie, und das ist das eigentlich empörende, nicht als Teil der ordinierten Sangha. Daher geniessen sie auch keinerlei gesellschaftliche Vorrechte wie sie für die Mönche hier selbstverständlich sind. Sie dürfen nicht mit der Bettelschale auf Almosengang gehen, sie müssen in Tempeln den Eingang für Laien benutzen und dürfen nicht umsonst die öffentlichen Transportmittel in Anspruch nehmen. All das dürfen die rund 350 000 Mönche natürlich. Im Gegenteil, die Maechees dienen vielerorts den Mönchen und der Gesellschaft, bleiben aber in untergeordneter Stellung und haben fast keine Bildungsmöglichkeiten. Trotzdem ist ihre Anzahl in Thailand gross, da der Buddhismus hoch geachtet ist und selbst dieser Quasi-Nonnenstand eine gute Alternative zum einengenden Hausfrauendasein bildet und für die ärmeren Frauen auch ein wichtiger Ausweg vor der drohenden Prostitution darstellt.
Einige Maechees sind sehr bekannt und machen das Beste aus ihren beschränkten Möglichkeiten. Es gibt auch spirituelle Lehrerinnen unter ihnen. Allerdings dürfen sie nur ihresgleichen und Laien unterrichten. Zwei Maechees werden heute für ihre ausserordentlichen Verdienste zur Verbesserung der Stellung und der Rechte dieses Nonnenordens geehrt: Maechee Waree Chuethasanaprasit und Maechee Pimjai Maneerat. Das einzige existierende Nonnen-College in Thailand ist das Mahaprajapati-Nuns-College mit derzeit etwa sechzig Schülerinnen. Dazu kommen etwa dreißig Laienfrauen aus der Region. Hier erhalten sie erfreulicherweise eine umfassende Bildung mit der Möglichkeit eines akademischen Abschlusses, dem Batchelor of Art, B.A. Von einer begüterten Laien-Lehrerin begründet, wurde diese Schule nach ihrem Tod kürzlich skandalöserweise von einem einflussreichen Bhikkhu übernommen. Die Besichtigungstour im Anschluss an den Zeremonientag wird einige von uns zu diesem College führen.
Bhikkunis in Thailand
Wir erfahren von Bhikkuni Dr. Lee, dass heute trotz des Verbotes etwa 200 Bhikkunis in Thailand leben, die allerdings ihre Ordination wie sie selber in Taiwan oder an einem der wenigen andern Orte, wo die weibliche Übertragungslinie für Nonnen noch besteht, bekommen haben. Später wird sie einigen von uns im persönlichen Gespräch erzählen, welchen Mut es dazu braucht, hier in Thailand als Bhikkuni zu leben, da sie mit Zwangsentrobung oder polizeilichem Arrest rechnen müssen, wenn sie sich in traditionellen gelben Thai-Roben öffentlich sehen lassen. Sie selber entging knapp einem Attentat. Frauen, die in der chinesischen oder koreanischen Tradition ordiniert sind und deren grauen oder ockerfarbenen Roben tragen, können in Thailand leben und sich in der Öffentlichkeit zeigen. Sie gelten allerdings auch nicht als Teil der Sangha und müssen ebenfalls den Eingang für Laien in den Tempeln benutzen.
Es gibt leider auch noch keine Orte, wo Bhikkunis, die dem Thai-Buddhismus folgen, in Ruhe zusammen leben und eine Gemeinschaft aufbauen könnten, geschweige denn, dass sie materielle Unterstützung erwarten könnten, wie sie für ihre männlichen Kollegen selbstverständlich ist. Obwohl es dem Mönchs-Orden an Nachwuchs mangelt und heute etwa fünftausend Klöster fast oder ganz leer stehen, dürfen sie nicht von Nonnen übernommen und vor dem Zerfall gerettet werden.
Die heutige Preisverleihung will auf diese Misstände aufmerksam machen und sich dafür einsetzen, dass das Bhikkuni-Verbot in Thailand aufgehoben wird und dass der Bhikkuni-Orden in Thailand und weltweit etabliert werden und anwachsen kann. Deshalb werden heute bewusst sechs Bhikkunis aus Asien, Europa und USA geehrt.
Die Verdienste feministischer Frauen in Thailand
Bhikkuni Dr. Lee betont nun die Leistungen der nicht ordinierten Frauen im Buddhismus und in der Gesellschaft und die Wichtigkeit der Zusammenarbeit. Es werden heute vier Thailänderinnen geehrt, die Aerztin Dr. Khunying Porntip, die Schriftstellerin Orasom Sutisakorn, die Krankenschwester Angoon Wongcharoen und die Senatorin Tuenjai. Sie alle setzen sich in besonderem Masse für die Rechte der Frauen ein, insbesondere gegen die hier grassierende Prostitution, gegen die Verharmlosung von alltäglicher Gewalt gegen Frauen und für die Aufdeckung von vertuschten Familien-Morden an Frauen.
Die vier Preisträgerinnen haben sich auch nach dem Tsunami auf selbstlose Weise für die Opfer eingesetzt und insbesondere materielle Hilfe und rechtlichen Beistand für die sonst rechtlosen verwittweten und alleinstehenden Frauen und Kinder organisiert. Senatorin Tuenjai und die Präsidentin von APSW arbeiten auf politischer Ebene daran, ein Gesetz zu verabschieden, das den Religionsstatus der Nonnen anerkennt und ihnen damit die Vorrechte der Sangha zugestehen würde.
Nonnen und Laien gehen hier den Weg der Frauenemanzipation Hand in Hand und erkennen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Klerus und Staat. Hier wird uns vor Augen geführt, welche eminent politische Bedeutung die Gleichberechtigung der Geschlechter gerade auch in der spirituellen Welt hat. Das männliche Primat in der Gesellschaft und die Alleinherrschaft der Männer in der buddhistischen Sangha spiegeln sich in der Unterdrückung der Frauen in der Thai-Gesellschaft. Wir erkennen hier ganz konkret, dass weibliche Ordinierte, spirituelle Lehrerinnen und weibliche Erleuchtete nicht nur eine schöne Vorstellung sind. Sie sind nicht nur eine wichtige, sondern sie sind die notwendige Voraussetzung für die Gleichberechtigung beider Geschlechter auf dem spirituellen Weg.
Das Zeichen der Veranstaltung ist ein knallrotes Frauenzeichen aus Plastik, etwa 6,5 cm groß, das gleichzeitig als Trillerpfeife benutzt werden kann. Wir ergrauten westlichen Feministinnen werden etwas nostalgisch an die Frauen-Demos unserer Jugend erinnert, können nun aber ganz aktuell auch als Buddhistinnen daran anknüpfen.
Bhikkuni Dr. Lee, die fliessend Thai spricht, wird während der ganzen Veranstaltung sämtliche Beiträge übersetzen. Die dritte Veranstaltungssprache ist Chinesisch. Nach den eindrücklichen und aufklärenden Worten von Dr. Lee führt eine junge Frau in gelber Seide einen anmutigen thailändischen Tanz auf. Wir erfahren, dass sie und die Kinder im Frauen- und Kinderhaus wohnen, das sich auf dem Gelände des Veranstaltungsortes befindet.
Die tatkräftige Frauenorganisation APSW
Die nächste Rednerin erzählt uns mehr über diesen einzigartigen Frauen-Ort. Das ganze Gelände ist ein Projekt der Frauenorganisation APSW, Association for the Promotion of the Status of Women., die unter dem Patronat des einflussreichen Königshauses steht, genauer unter der Schirmherrschaft von H.R.H. Princess Soamsawali. Die Rednerin heute ist die Vizepräsidentin von APSW, die Thailänderin Khunying Nathanond Thavisin. Sie erklärt uns, dass dieser Ort nicht nur äusserlich eine Oase in Bangkok ist: ruhig, grün und friedlich, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Zufluchtsstätte für Frauen und Kinder in Not bedeutet. Von ihr und der Präsidentin von APSW, Dr.Suteera Vichintranonda, die am frühen Nachmittag sprechen und Videos zeigen wird, werden uns die sieben eindrücklichen Projekte vorgestellt, die diese Frauen-Organisation unterhält: ein Nothilfe Haus für Frauen und Kinder, die Jimmy-Rosalynn Carter Women’s Clinic, ein Heim für Kinder ohne Eltern und für uneheliche Mütter, ein Krisenintervetionszentrum für vergewaltigte Frauen, mit psychologischer Betreuung und rechtlichem Beistand, ein Aus- und Weiterbildungszentrum für Frauen ( WE-Train: Women´s Education Training Center), ein Jugendhaus und ein Forschungsinstitut für Geschlechterfragen (GDRI: Gender and Development Research Institute). Zum Weiterbildungszentrum gehört das Hotel, in dem wir untergebracht sind, der Veranstaltungsort, das Restaurant, eine Sporthalle und das Schwimmbad im Park. Später am Tag wird uns von der engagierten Leiterin das Mütter- und Kinderhaus und das Kriseninterventionszentrum für vergewaltigte Frauen gezeigt werden. Hier und in persönlichen Gesprächen erfahren wir mehr über das erschreckende Ausmass der Prostitution, vom traurigen Schicksal der Mädchen, die von ihren Eltern verkauft werden und vom Elend der Kinderprostitution.
Es ist ein grosser Glücksfall, dass die Prinzessin das Patronat von APSW übernommen hat. Seither geniessen die Organisation und ihre Projekte Schutz und Ansehen und erhalten genügend Spenden. Für uns ist es erleichternd zu sehen, wie gut und beherzt die Zentren geführt sind. Wir sind überzeugt, dass hier wirklich Hilfe vor Ort geschieht und wünschen uns, dass noch viele in diesem weiten Land und anderswo ihrem Beispiel folgen mögen.
Reden der Preisträgerinnen
Nach diesen aufklärenden und erschütternden Beiträgen kommen drei der Preisträgerinnen zu Wort. Den Anfang macht die junge thailändische Bhikkuni Silananda. Sie ist eine Pionierin für Frauenstudien, die es durchsetzen konnte, dass sie als erste Bhikkuni am Buddhistischen College mit internationaler Lehrerschaft aus Theravada, Mahayana und Vajrayana im Norden von Thailand studieren und ihren Abschluss machen kann. Damit ist sie Wegbereiterin für die Anerkennung und Ausbildung der Bhikkunis in Thailand. Wir erfahren von ihr, dass es in Thailand erfreulicherweise auch einige Bhikkhus gibt, die die Ausbildung der Nonnen fördern, an der Etablierung des Nonnenordens mitwirken und sogar bereit sind, gesetzeswidrig Nonnen zu ordinieren. Bhikkuni Silananda wurde von Bhikkhu Gosin zur Samaneri-None ordiniert und erhielt die volle Ordination von einer Gruppe thailändischer und kambodschanischer Mönche.
Die zweite Rednerin ist die gebürtige Amerikanerin und Zen-Nonne Reverend Beth Kanji Goldring, die das von ihr begründete und geführte Hilfsprojekt in Kambodscha vorstellt. Sie hat in den letzten acht Jahren ein Hilfsprojekt für Aids-Opfer und für die Sterbebegleitung von Menschen ohne Angehörige aufgebaut, beides sind Tabu-Bereiche in Kambodscha. Mit eindringlichen Bildern zeigt sie ihr engagiertes Team bei der Betreuung der kranken und sterbenden Menschen. Vielen können sie neben der medizinischen Hilfe mit Reiki-Körperarbeit helfen. Sie dokumentiert auch den liebevoll betreuten Sterbeprozess einer Nonne und die Bestattungsrituale.
Das Oberhaupt des koreanischen Nonnen-Ordens spricht Klartext
Die dritte ist die Hauptrednerin an diesem Morgen. Sie ist zugleich die prominenteste und ranghöchste Preisträgerin. Es ist das Oberhaupt der Bhikkuni-Sangha in Korea, die ehrwürdige 79jährige Dr. Myung Kung Sunim. Sie und ihre beiden Begleiterinnen, eine davon selber Äbtissin eines Klosters, sind eindrückliche Erscheinungen. Im Gegensatz zu ihren lächelnden thailändischen und chinesischen Kolleginnen, blicken sie ernst bis grimmig und strahlen grosse Souveränität und Autorität aus. Dem Auftritt der Meisterin gehen wunderschön vorgetragene und klangvoll gesungene Gebete ihrer beiden Schülerinnen voraus.
Ihre Ansprache ist eine Dharma-Rede und gleichzeitig ein leidenschaftlicher politischer Aufruf an ihre thailändischen Mitschwestern, das Blatt selber in die Hand zu nehmen und ihrem eigenen Beispiel in Korea zu folgen, wo die Frauen-Sangha nicht immer so in Blüte stand wie heute, auch wenn der Nonnenorden in Korea seit der Einführung im 3.Jh. ungebrochen besteht. Sie ermutigt die Thailänderinnen in ihren Bemühungen, schenkt Vertrauen und Zuversicht und verspricht gleichzeitig ihre Unterstützung mit Rat und Tat. Ihre eigene Autorität führt sie auf Buddha Shakyamuni zurück. Buddha selber, argumentiert sie klug, hat den Nonnenorden begründet, wer also sollte sie heute daran hindern können, ihn wieder zu etablieren? Sie beschliesst ihre flammende Rede mit dem Herzenswunsch, möge der Bhikkuni-Orden in Thailand schnell anerkannt werden und weiter wachsen können. In Korea steht sie einem Nonnenkloster mit Ausbildungszentrum für Frauen vor, das sie selber begründet hat. Unter ihrer Führung ist der Bhikkuni-Orden in Korea neu entstanden und erstarkt, seine Anzahl ist von etwa 1000 Nonnen in den 1940er Jahren auf 10 000 Nonnen angewachsen. Ihre Anwesenheit verleiht der heutigen Zeremonie großes Gewicht und buddhistische Autorität.
Erfolgreiche Bhikkunis in Taiwan
Unterstützung erhält die koreanische Delegation durch die drei Preisträgerinnen aus Taiwan, Dr. Li Hua Yang, Bhikkuni Sik Wei Chun und Bhikkuni Jain Jin. Taiwan ist einer der wenigen buddhistischen Orte, wo der Bhikkuni-Orden nach der Dhammagupta- Übertragungslinie seit seiner Einführung in China ununterbrochen besteht. Für viele buddhistische Nonnen aus dem Westen besteht hier eine gute Möglichkeit, die volle Ordination zu erlangen, insbesondere auch für die Nonnen von der tibetischen Tradition. Das hat auch damit zu tun, dass zumindest einige Nonne in Taiwan gut Englisch sprechen. Die beiden geehrten chinesischen Nonnen halfen massgeblich mit, den Bhikkuni-Orden in Sri Lanka wieder zu beleben und organisierten dort auch sofortige und tatkräftige Hilfe für die Tsunamiopfer. Sie beide treten sehr selbstbewusst auf und erzählen von ihren blühenden Nonnen-Projekten in Taiwan. Die in Kanada aufgewachsene Taiwanesin Bhikkuni Sik Wei Chun steht heute dem von ihr aufgebauten Bhiksuni Sangha Ashram Daksinavana vor. Dazu gehört eine grosse Nonnengemeinschaft mit Nonnen auf allen Gelübdestufen (Sramanerika, Siksamana, Bhiksuni) und eine Akademie, insbesondere für das Studium des Vinaya, mit Schulungsprogrammen auch für Laienpraktizierende (Upasika).
Die Taiwanesinnen schlagen vor, die nächste Preisverleihung in der guten Infrastruktur ihrer Nonnenklöster in Taiwan durchzuführen und bieten an, die ganze Organisation und alle Kosten dafür zu übernehmen. Obwohl dieses Angebot verlockend ist, wird die Preisverleihung aber trotzdem weiterhin in Bangkok stattfinden, da seine Publizität für die Sache der Frauen und Nonnen hier dringend benötigt wird. Das grosse Medien-Echo zeigt, dass das Thema Frauenemanzipation hier ein brennendes Thema ist.
Die Preisgekrönten in Wort und Bild
Nach diesen Beiträgen beginnt Dr. Lee mittels einer Power Point Show die Porträts und Kurz-Biographien der zwanzig ausgezeichneten Frauen vorzustellen. Etwa in der Hälfte, um 11 Uhr wird diese Präsentation unterbrochen. Es ist Zeit für das Mittagessen, das für die Nonnen vor zwölf Uhr mittags erfolgen muss. Danach werden sie bis zum nächsten Morgen nichts mehr essen. Diese Regel wird hier allgemein von den Ordinierten, Mönchen und Nonnen strikt befolgt. Es gibt für alle im hauseigenen Restaurant ein reichhaltiges, leckeres, vegetarisches Buffet. Hier werden nun neue Kontakte geknüpft, die Sprachen sind Thai, Englisch, Chinesisch und Koreanisch. Mit freundlicher Neugierde und geduldigem Übersetzen erfahren wir mehr voneinander und erkennen die Gemeinsamkeiten als buddhistisch engagierte Frauen trotz grosser kultureller Unterschiede. Die Temperatur draussen klettert gegen 35 Grad, aber in den klimatisierten Räumen ist es angenehm kühl.
Nach der Mittagspause ist der Saal übervoll. Nun sind fast alle Preisträgerinnen und ihre Begleitungen anwesend. Sylvia Wetzel, die am Vortag das Flugzeug verpasst hat, kommt wunderbarerweise gerade noch rechtzeitig zu ihrer Porträt-Präsentation. Sie wird geehrt für ihre Pionierleistungen für den Buddhismus in Europa, insbesondere für die Schulung von Frauen, für ihre zahlreichen Publikationen und für ihre Übersetzungsarbeit.
Sikhamat – Nonnen mit zehn Gelübden
Unter den weiteren Porträtierten ist eine besonders eindrückliche thailändische Nonne zu finden, es ist die zierliche 83jährige Sikhamat Phussadi Sardwong, die in der buddhistischen Gemeinschaft Santi Asoke lebt, die in ganz Thailand an etwa zehn verschiedenen Orten zu finden ist. Es sind Kommunen für ordinierte und nichtordinierte Frauen und Männer sowie Familien mit Kindern und funktioniert auf der Basis der fünf Silas, gemeinsamem Eigentum und Selbstversorgung. Auf der anschliessenden Besichtigungsfahrt werden wir Sikhamat Phussadi in ihrer paradiesisch anmutenden Gemeinschaft besuchen. Sie selber ist eine mutige Frau. Ursprünglich war sie eine Maechee, war aber mit den Einschränkungen dieses untergeordneten Standes nicht zufrieden. Sie wollte sich weiterbilden und beschloss, die nächste Gelübdestufe zu nehmen, obwohl dies in Thailand verboten ist und wurde eine Sikhamat, Das heißt wörtlich studierende Mutter, und bezieht sich auf eine Nonne mit zehn Gelübden.
Unterstützt vom Gründer der Asoke Zentren, Bodhiraksa Bhikkhu, gründete sie mit ihren Anhängerinnen die Sikhamat Sangha und beschloss die unpraktischen weissen Roben durch braune und graue zu ersetzen. Obwohl das vom Standpunkt der Mönchs-Hierarchie nicht legal war, konnte sie niemand wirklich auf ihrem Weg hindern. Sie ist heute eine viel beachtete und geehrte Persönlichkeit.
Allerdings werden nun die Bhikkhus in ihrer Kommune an ihrer Stelle bestraft. Der Gründer der Asoke Zentren wurde zwangsweise entrobt. Er selbst und alle seine Mönche wurden offiziell aus der Bhikkhu Sangha ausgeschlossen. Sie dürfen sich nun nicht mehr Bhikkhus nennen, weil, so die Begründung, sie es zulassen, dass die verbotenen Sikhamat-Nonnen zu ihrer Gemeinschaft gehören. Mönche, die den Nonnen helfen, müssen also mit Sanktionen rechnen, umso erfreulicher, dass es solche mutigen Männer gibt, die das trotzdem tun.
Buddha Mom
Eine andere überraschende Preisträgerin kommt aus Kalifornien, Jacqueline Kramer. Sie wird Buddha Mom genannt, da sie ein gleichnamiges Buch verfasst hat, in dem sie buddhistische und mütterliche Weisheit verbindet und praktische Ratschläge und buddhistisches Wissen an Mütter weiter gibt. Es ist ihr ein Anliegen die vierte von Buddha benannte Sangha, die Laien-Frauen-Sangha aus ihrem vernachlässigten Dasein zu befreien und zu stärken. Selber buddhistische Mutter hat sie eine müttergerechte virtuelle Schule im Internet aufgebaut mit verschiedenen buddhistischen Studiengängen und Austauschforen. Die Klassen werden von Müttern aus aller Welt via Internet rege besucht und werden von Jacqueline kostenfrei betreut.
Schliesslich erhält auch die Japanerin Nobuko Ono einen Preis für ihre besonderen Verdienste für die Stundentenschaft in Tokio.
Die Preisübergabe – Frauen feiern Frauen
Nach Abschluss der Porträtpräsentationen steigt nun die Spannung erheblich. Die Presse ist noch zahlreicher vertreten und alle Preisträgerinnen sitzen nun auf ihren weissen Plätzen, ausser den beiden, die sich vertreten lassen, Bhikkuni Pema Chödrön, aus den USA, die aus Altersgründen fehlt und Ajahn Anandabodhi aus Grossbritannien. Auch Bhikkuni Mudita Teresa aus Deutschland von Ayya Khemas Waldklostertradition fehlt. Wie ich später erfahre, will sie den Preis nicht annehmen, da der Grund für den Preis, das erste kleine Nonnenkloster in Deutschland, das sie begründete, zur Zeit in seinem Fortbestand gefährdet ist.
Zum Auftakt versammeln sich die thailändischen Bhikkunis und Maechees auf der Bühne und rezitieren gemeinsam und stimmungsvoll die Zufluchtsgebete. Danach beginnt die eigentliche Zeremonie, die Preisübergabe. Sie erfolgt mit grosser Feierlichkeit in vier Schritten, die sich bei jeder Gewinnerin, die einzeln auf die Bühne gebeten wird, wiederholen. Bhikkuni Shiou-I aus Taiwan, die Präsidentin des Preiskomitees überreicht die gold geprägte schriftliche Auszeichnung im prächtigen Goldrahmen und eine Trophäe aus Glaskristall, das durch ein Lämpchen in allen Regenbogenfarben aufleuchtet. Danach wird von der chinesischen Bhikkuni Gross-Meisterin Kuang Seng, Äbtissin des grossen Guan-Yin Tempels in Bangkok, die farbige Kuan-Yin-Statue überreicht. Nach jeder einzelnen Übergabe gibt es Zeit, diesen Moment festzuhalten, was jeweils mit einem Blitzlichtgewitter erfolgt. Zum Abschluss überreicht Bhikkuni Rattanavali eine kunstvoll geflochtene, duftende Blumengirlande. Danach posieren alle Preisübergeberinnen zusammen mit der Gewinnerin und allen Preisen zu einem finalen Bild. Obwohl sich die Zeremonie achtzehn Mal in gleicher Weise wiederholt, wird es niemandem langweilig. Alle, insbesondere die Asiatinnen, freuen sich königlich und geniessen das Feiern und Gefeiertwerden. Ihre Freude ist einfach ansteckend. Frauen zelebrieren Freude und Wertschätzung füreinander. Und das wird nie langweilig. Und es tut so gut, auch nach achtzehn Mal!
Danach folgt noch einmal ein Finale: alle geehrten Frauen versammeln sich zum Gruppenfoto auf der Bühne, die Ordinierten stehend und die Laien vor ihnen am Boden sitzend oder kniend. Danach wird weiter gefeiert und geknipst, Familie und Freundinnen überreichen echte oder riesige Plastikblumen und dann werden zigmal Bilder in allen möglichen Variationen auf der Bühne geknipst.
Auch eine kleine deutsche Delegation findet sich um Sylvia Wetzel ein. Es tauchten plötzlich vier Deutsche auf, darunter drei Bekannte, die zufällig in Thailand in den Ferien sind, unter ihnen Ruth Kölling und Wolfgang Presser aus dem Seminarhaus Engl in Niederbayern, wo Sylvia seit vielen Jahren Tara-Kurse gibt. Auch wir fotografieren fleißig und feiern den fröhlichen Moment.
Das Fest geht weiter
Nach Früchten, Tee und Kuchen geht die Feier weiter. Nun wird jede Preisträgerin gebeten, ein Grusswort zu sprechen, was mit bewegenden spontanen und persönlichen Worten und Erzählungen geschieht und sich über die nächsten zwei Stunden hinzieht. Nach einer kurzen Einführung in die Bedeutung weiblicher Vorbilder, rezitiert Sylvia Wetzel mit ihrer sonoren klangvollen Stimme auf Englisch die Anrufung der Grossen Weisen Frauen, was insbesondere einige Nonnen tief berührt und beglückt. Dass Buddha auch weiblich sein könnte, das ist hier noch ein sehr ferner Gedanke. In den nächsten Tagen werden wir erleben, wie aktuell die Legende der Grünen Tara für die Situation des Buddhismus in diesem Lande ist. Wir werden junge Maechee-Nonnen im Mahaprajapati-College sehen, die mit Begeisterung Sylvia Wetzel zuhören. Sie erzählt ihnen zum ersten Mal von der mutigen Buddha Tara, die den gut gemeinten Ratschlag der Mönche lächelnd zurückweist, die ihr zu einer männlichen Wiedergeburt im nächsten Leben raten. Und die gelobt, von nun an nur als Frau zu inkarnieren und als Frau zu erwachen, was sie dann auch tut. Und es wird uns zutiefst ans Herz rühren, zu erleben, wie sie mit Inbrunst und grosser Freude das Mantra von Tara singen lernen.
Der besondere Tag der Preisverleihung klingt aus mit einem gemeinsamen Besuch im Kinder- und Frauenhaus. Die Nonnen beschenken die Kinder mit Täschchen voller Süssigkeiten und kleiner Geschenke.Und als Abschluss gibt es ein schönes gemeinsames Bild mit Nonnen und Frauen aus Ost und West und mit Kindern und jungen Müttern und mit einem Herz voller Hoffnung und Verbundenheit mit allen Frauen und allen anderen Menschen und Wesen auf der Welt.
Sabine Hayoz Kalff
ist 1952 geboren, sie ist buddhistische Meditationslehrerin, autorisiert von Sylvia Wetzel. Sie hat Sylvia Wetzel auf der Reise nach Bangkok begleitet. Sabine studiert und praktiziert Buddhismus seit 1981. Weitere wichtige Lehrer sind tibetische Lamas, insbesondere Lodro Rinpoche (Tara, Chöd u.a.) und die amerikanische Lehrerin Tsültrim Allione (Dakini, Chöd, Prajnaparamita u.a.). Tara Rokpa Therapieprozess, Abschluss des Löwe-Trainings bei Rigdzin Shikpo. Sie betreut das Buddhistische Zentrum Zollikon, unterrichtet Soul-Painting, ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.
Kontakt: Buddhistisches Zentrum Zollikon. www.emaho.info
Die Liste der Preisträgerinnen 2008
Bhikkuni Dr. Myung Sung Sunim, Korea
Bhikkuni Silananda, Thailand
Sikhamat Phussadi Sardwong, Thailand
Maechee Waree Chuethasanaprasit, Thailand
Maechee Pimjai Maneerat, Thailand
Senator Tuenjai Kunchon Na Ayutthya Deetaet, Thailand
Orasom Sutisakorn, Thailand
Nurse Angoon Wongcharoen, Thailand
Dr. Khunying Porntip Rojanasunan, Thailand
Bhikkuni Sik Wei Chun, Taiwan
Bhikkuni Jain Jin, Taiwan
Dr. Li Hua Yang, Taiwan
Sylvia Wetzel, Germany
Bhikkuni Mudita Teresa, Germany
Nobuko Ono, Japan
Bhikkuni Pema Chödrön, USA
Reverend Beth Kanji Goldring, USA/Kambodscha
Jacqueline Kramer, USA
Reverend Patricia Dai-En Bennage, USA
Ajahn Anandabodhi, United Kingdom
Zu den Begriffen Nonnen, Mönche, Laien im Buddhismus
Der Begriff Nonne und Mönch stammt aus der christlichen Tradition.
Buddhistische Mönche heißen im Pali Bhikkhu, die Nonnen Bhikkhuni, die Novizen Samanera, die Novizinnen Samaneri und die Nonnen in der zweijährigen Vorbereitungszeit Sikkhamana.
Die entsprechenden Sanskrit Begriffte sind Bhiksu, Bhiksuni, Sramanera, Sramanerika, Siksamana.
Pali „Sikkhamat“ heißt wörtlich „Mutter mit [zehn] Regeln“.
Diese heißen in Sri Lanka Dasa-sila-mata, zehn-Regel-Mütter.
Der Begriff Sikkhamat wird in Thailand im Gegensatz zu den weißgekleideten „maechi“ für braungekleidete quasi-Novizinnen verwendet, die aber de jure nicht als Novizinnen anerkannt sind. Die weißgekleideten „maechi“ haben acht Regeln (dem Anagarika vergleichbar), eine Art Zwischenzustand zwischen Laie und Nonne. Die Farbe weiß ist die Farbe der „Laien“. Die „maechi“ leben aber anders als die meisten Laien nicht mit Familie, sondern im Zölibat und haben einen geschorenen Kopf. Männliche Laien heißen Upasaka, weibliche Laien Upasika.